Paul Mathey: Félicien Rops © Katrin Bellinger Collection
Paul Mathey: Félicien Rops © Katrin Bellinger Collection

"Paris ist meine Bibliothek":                                          Félicien Rops - Erotika und beißende Satire

Wohl kein Künstler des 19. Jahrhunderts hat seine obsessive Neigung zur Pornografie derart
ausgelebt, wie der belgische Symbolist Félicien Rops (1833 – 1898). Die Hamburger Kunsthalle
verwahrt in den Tiefen des Kupferstichkabinetts eine rund 250 Blätter umfassende Sammlung seiner skandalträchtigen Zeichnungen und Radierungen. Nun werden sie erstmals vorgestellt – versehen
mit einem Warnhinweis: „In der Ausstellung sind vermehrt Nacktheit, sexuell explizite Szenen sowie teilweise rassistische Stereotype und Darstellungen sexuellen Missbrauchs zu sehen.“

 

Alfred Lichtwark, der Gründungsdirektor der Hamburger Kunsthalle, war es, der 1896 die ersten elf Radierungen von Félicien Rops kaufte. Völlig fasziniert von dieser „beinahe geheimnisvollen Per-sönlichkeit“, schrieb er nach Hamburg: „Rops ist ein …Satiriker mit satanischer Macht, ein belgisches
Temperament, das vor nichts in der Welt zurückschreckt“.

 

Eine Einschätzung, die man beim Betrachten des Werkes nur bestätigen kann. Tabus scheint der
Spross eines wohlhabenden Textilfabrikanten aus Namur (Belgien) nicht gekannt zu haben. Im
Gegensatz zur akademischen Aktmalerei seiner Zeit ging er unmittelbar zur Sache, legte die moralischen Abgründe der damaligen
Bourgeoisie Frankreichs und Belgiens frei, bildete die achtsam verborgenen sexuellen Phantasien und abartigen Praktiken okkulter
Opferrituale mit schockierender Direktheit ab. Erotika, unterlegt mit scharfem Witz und beißender Gesellschaftskritik. Sein schwarzer
Humor zeigte sich schon während des Studiums in Brüssel, wo sich Rops dem studentischen „Club des crocodiles“ anschließt, die für
ihre Karikaturen und Pamphlete bald darauf die Zeitschrift „Le Crocodile“ herausgeben.

 

Der Künstler, der einmal über sich schrieb, er habe „eine zerkratzte Seele, als hätte der Teufel eine hungrige Katze darin eingesperrt“,
scheint in jungen Jahren hin- und hergerissen gewesen zu sein: Einerseits kann er sich von seinen bürgerlichen Wurzeln (noch) nicht
lösen und heiratet 24-jährig die Tochter des Gerichtspräsidenten von Namur. Andererseits zieht es ihn nach Paris, dem sowohl künstler-
ischen wie auch erotischen Nabel der Welt des 19. Jahrhunderts. Hier leben Künstler wie Rodin und Monet, die er auch persönlich
kennenlernt. Hier leben vor allem aber einflussreiche Verleger und berühmte Schriftsteller, wie Stéphane Mallarmé, Charles Baudelaire
und Paul Verlaine, deren Werke er illustriert. Die persönliche Zerrissenheit spiegelt sich auch in seiner Kunst. Neben den Erotika entstehen
immer wieder Landschaften und naturalistische Porträts, die zwar ausgezeichnet radiert sind, ihm aber allein nie den Platz in der Kunst-
geschichte eingebracht hätten, den er seinen obszönen Illustrationen verdankt.

 

1874 zieht Rops endgültig nach Paris, wo er schon länger eine Ménage à Trois mit den Schwestern Léontine und Aurélie Duluc unterhält.
Eine Dreiecksbeziehung, die trotz zahlreicher Affären bis zu seinem Lebensende hält – obwohl sich seine Frau nie von ihm scheiden lässt
und den schlechten Ruf des „Stechers“, wie ihn Kollegen doppelsinnig nannten, weit über die Grenzen verbreitet.

 

„Künstler wie Rops konfrontierten die Gesellschaft mit ihrer Amoral, Lasterhaftigkeit und den Ausschweifungen, die im größten Kontrast
zu den strengen sozialen Normen des Jahrhunderts standen“, wird Ralph Gleis, Kurator der Rops-Retrospektive in der Alten Nationalgalerie
Berlin, im gut gemachten Katalog zitiert. Félicien Rops selbst ist sich dieser Bedeutung nicht bewusst. Alt und krank lebt er zurückgezogen
auf seinem Landsitz und züchtet Rosen. Hier schreibt er in einem undatierten Brief: „Es ist mir egal, dass ich kein Talent habe, aber ich
suche ‚etwas anderes‘. Was das ist? ... Ich möchte gern den Akt meiner Zeit machen, mit seinem Elend und seinen großen oder düsteren Freuden“.

 

Isabelle Hofmann

 

"Paris ist meine Bibliothek", Zeichnungen und Druckgraphik von Félicien Rops, bis 7.5.2023,
Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall 5, 20095 Hamburg, Di - So 10 bis 18 hr, Do 10 bis 21 Uhr.

Weitere Informationen auf www.hamburger-kunsthalle.de

 

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