
Hamburger Stadtfotografie
„Eyes on Hamburg“: Ein Blick auf die Stadt – jenseits der Postkartenidylle
Im Museum der Arbeit beleuchten die Preisträger des Georg Koppmann Preises für Hamburger
Stadtfotografie Wandel und Schattenseiten der Metropole. Eine unbedingt sehenswerte Ausstellung!
Mitten in der City: Aufgerissene Fassaden, öde Baustellen, verdreckte Müllhalden, und neben dem Autobahn-Deckel der A7 auch der Versuch, mit ein paar Pflanzkübeln, Pergola und Gartenmobiliar
heimeliges Terrassenfeeling zu schaffen. Der Hamburger Fotograf Axel Beyer fotografiert an Orten, an denen man sich weder gern aufhält, noch besonders genau hinsieht. Es lohnt ja auch kaum, möchte man meinen, beim nächsten Mal sieht alles schon wieder anders aus. Stadthistorisch sind solche Veränderungsprozesse jedoch ungemein interessant.
Mit seinen „Temporären Einsichten“ gewann Beyer 2019 den erstmals vergebenen Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie, der an einen der bedeutendsten Architektur-Fotografen und Chronisten Hamburgs erinnern soll: Georg Adolph Emil Koppmann (1842–1909). Im Auftrag
der Hamburgischen Baudeputation fotografierte er die „Niederlegung“ (also den Abriss) der Kehrwieder-Wandrahm-Viertel und den Bau der Speicherstadt. Sein gewaltiger fotografischer Nachlass zählt zu den Schätzen der Hansestadt.
Was Neubauprojekte in großem Maßstab für die Menschen vor Ort bedeuten, zeigt Irina Ruppert mit ihrer preisgekrönten
Serie „Am Diebsteich“ (2023). Um den gleichnamigen S-Bahnhof herum, wo derzeit noch ein Café und ein Blumenladen
existieren, Künstler, Selbständige und Steinmetze vom benachbarten Friedhof ihre Werkstätten betreiben, soll 2026 der
neue Bahnhof Hamburg-Altona eröffnen. Ruppert kämpft gegen die Vertreibung, aber sie weiß, wie hoffnungslos es ist.
Nun hat sie die angestammten Bewohner porträtiert, um zumindest Erinnerungsbilder für die Zukunft zu bewahren. Die
Fotografin teilt sich den Preis mit Alexandra Polina, die vor ein paar Jahren an den Steindamm zog und seitdem das multi-
kulturelle Treiben vor ihrer Tür mit der Kamera beobachtet. Mit ihrem „Steindamm-Atlas“ gibt sie der Vielfalt eine Bühne
und hält die verrückten Geschichten des Alltags fest.
Robin Hinsch (Preisträger 2020) zeigt dagegen in seiner Fotoserie „Der Mechanismus“ die unwirtlichen Seiten der Metro-
pole. Süderstraße, Amsinckstraße, Spaldingstraße und Heidenkampsweg liegen nur wenige Gehminuten vom Hauptbahnhof
entfernt, doch man glaubt sich in der Bronx: Eine Industriebrache mit heruntergekommenen Rotlichtlokalen, Bürohäusern,
Schrottplätzen und verloren wirkenden Menschen. In dem Ende des Zweiten Weltkriegs völlig zerstörten Stadtteil Hammer-
brook ist in Punkto Stadtplanung noch jede Menge Potenzial.
Wie urbane Räume durch soziale und kulturelle Milieus geprägt werden, veranschaulichen Sabine Bungert und Stefan Dolfen
(Preisträger 2021) mit ihrer fotografischen Untersuchung von Hamburger Schulbauten. Erstaunlich, wie stark sich in den
jeweiligen Architektur- und Farbkonzepten die unterschiedlichen pädagogischen Auffassungen der vergangenen hundert Jahre
spiegeln.
Markus Dorfmüller (Preisträger 2022) geht es um die historische Bedeutung von Orten und Gebäuden. Sein Projekt „Koloniales
Hamburg“ passt zum gegenwärtigen Diskurs der Stadt (insbesondere um das Bismarck-Denkmal): Wie umgehen mit dem
kolonialen Erbe, das sich nicht nur in musealen Sammlungsobjekten, sondern auch in Form von Denkmälern und Ehrentafeln
im öffentlichen Raum befindet? Mit dem Sichtbarmachen der Zeugnisse trägt Dorfmüller zu einem konstruktiven Umgang mit der
unrühmlichen Vergangenheit bei. Man sollte sie stehenlassen, denn nur das Erinnern ist lehrreich.
Isabelle Hofmann
„Eyes on Hamburg“, bis 3. Oktober 2023, Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, 22305 Hamburg,
Mo 10 – 21 Uhr, Mi – Fr 10 – 17 Uhr, Sa/So 10 – 18 Uhr. Di geschlossen.
Weitere Informationen auf www.shmh.de/museum-der-arbeit/