Meine Cousinen auf dem Balkon, 1906 © Privatsammlung
Meine Cousinen auf dem Balkon, 1906 © Privatsammlung

Mythos Spanien

Die Wiederentdeckung des Malers Ignacio Zuloaga

 

Eine Blüte im schwarzen Haar, das Spitzentuch um die Schultern, den Fächer in der Hand. Drei Stichworte und schon haben wir „Carmen“ vor Augen, die feurige Verführerin aus Georges Bizets gleichnamiger Oper. In der Bildenden Kunst hat niemand die „spanische Seele“ so trefflich und authentisch eingefangen wie Ignacio Zuloaga (1870 – 1945), dem das Bucerius Kunst Forum in
Kooperation mit der Kunsthalle München derzeit eine umfassende Retrospektive widmet.


„Wer hat den Namen Zuloaga schon mal gehört?“ Betretenes Schweigen in der Medienrunde, nur
ein Finger hebt sich. „Immerhin“, sagt Kathrin Baumstark, Direktorin des Hauses, „dieser Maler ist in Deutschland ja auch total in Vergessenheit geraten“. Da fragt man sich: War er denn überhaupt jemals
bekannt? Und ob! Nicht nur bekannt, sondern überaus erfolgreich. Ein echter Star! In Deutschland, aber auch in Frankreich
und später in den USA. Bestens vernetzt in der Kunstszene von Paris, wo er um 1889 eine private Kunstakademie besucht
und mit Unterbrechungen fünf Jahre verbringt. Edgar Degas, Paul Gauguin, Vincent van Gogh, Auguste Rodin, und Henri de
Toulouse-Lautrec gehören zum Freundeskreis, mit einigen stellt er gemeinsam aus. Doch nicht das lichtdurchflutete postim-
pressionistische Frühwerk bringt den Durchbruch, sondern die folkloristischen Szenen der Gitanas, Stierkämpfer und Flamenco-
tänzerinnen aus Sevilla, wo sich Zuloaga ab 1894/95 „defranzösisieren“ will und nach dem Ursprünglichen sucht.

 

Und so feiern Kunstkritiker das romantische Spanien-Klischee des gebürtigen Basken, während die Industrialisierung Europa
überrollt: Bei der Internationalen Kunstausstellung in Dresden 1901 erhält Zuloaga die „Große Goldene Medaille“ für das beste
Werk, bei der Internationalen Kunstausstellung in Düsseldorf widmet man seinen lebensgroßen Gemälden einen eigenen Saal.
Eine Ehre, die sonst nur Adolph von Menzel und Auguste Rodin erwiesen wurde.


Das Selbstporträt zum Auftakt der Schau im Bucerius Kunst Forum zeigt den Maler 1908, auf der Höhe seiner Karriere. Ein Jahr
vor der ersten Einzelschau in New York schaut da ein höchst selbstbewusster Mann in ebenso stolzer wie lässiger Pose, eine
Hand in der Hosentasche, den Betrachtenden auffordernd in die Augen. Seit zehn Jahren lebt er da bereits mit seiner Familie in
Segovia, in der Nähe von Onkel und Cousinen, die seine Modelle werden. In der kargen kastilischen Landschaft erkennt Zuloaga
das „echte“, das „schwarze Spanien“ (im Gegensatz zum sonnig-touristischen „weißen Spanien“) und beginnt sein Hauptwerk. In
tiefer Verbundenheit mit seinen großen Vorbildern, Velázques, El Greco und Goya schafft er dramatische Bilder im XXL-Format
mit dunklen Himmeln und religiösen Themen: Bettler, Bauern, Büßer, Pilger, Priester und Kardinäle - das ganze zumeist arme und
tiefgläubige Figurenrepertoire Kastiliens tritt hier auf. Höhepunkt – auch absoluter Höhepunkt der Hamburger Schau – ist das
symbolisch aufgeladene Kolossalgemälde „Das Opfer der Fiesta“ von 1910 (2,84 m x 3,44 m!), dessen Transport und Aufbau
eine Leistung sondergleichen war und das in Lebensgröße einen erschöpften Picador auf einer blutenden Schindmähre vor
schwarzer Gewitterkulisse zeigt.

 

Während der kommerzielle Erfolg im Ausland Zuloaga zu einem reichen Mann macht, der eine  stattliche Goya-Sammlung
zusammenträgt und durch die Welt reist, wird der Maler in seiner Heimat als „antispanisch“ geächtet. Bis heute sei es schwierig,
seine Bilder in Spanien zu zeigen, erzählt Kurator Carlos Alonso Pérez-Fajardo. Auch wenn das Bild des rauen, rückständigen
Spaniens zu Lebzeiten Zuloagas authentisch war – für einen Großteil der Öffentlichkeit war es doch (und ist es noch) zutiefst
beleidigend.


Die Tatsache, dass dieser Maler nach seinem Tod international in Vergessenheit geriet, hat aber noch andere Gründe. Zum einen
seine Nähe zu den Faschisten, Franco hatte Zuloaga zur Ikone erhoben und für seine Propaganda benutzt. Zum anderen war
gegenständliche Malerei bis in die 1980er Jahre sowieso nicht angesagt und drittens konnte sich dieser so begnadete Maler leider
nie von den drei Säulenheiligen Goya, El Greco und Velasquez lösen. So blieb er „Zweite Garde“ – und das wird seine „Wiederent-
deckung“ wohl auch nicht ändern.

 

Isabelle Hofmann

 

„Mythos Spanien. Ignacio Zuloaga 1870-1945“, bis 26. Mai 2024, Bucerius Kunst Forum, Alter Wall 12, 20457 Hamburg,
Mo – So 11 – 19
Uhr, Do 11 – 21 Uhr.

Weitere Informationen auf www.buceriuskunstforum.de.

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