Textilmatte, 1950er Jahre © MARKK, Paul Schimweg
Textilmatte, 1950er Jahre © MARKK, Paul Schimweg

Geometrie des Lebens

Das MARKK zeigt herausragende Werke aus dem ehemaligen Kuba-Königreich der
heutigen Demokratischen Republik Kongo

 

Kunst ist eine Brücke, die Völker einander näherbringt“, lautet ein kongolesisches Sprichwort.
Mit der Ausstellung „Bakuba Kunst – Geometrie des Lebens“ hat das Museum am Rothenbaum
einmal mehr diese Brücke gebaut. Derzeit zeigt es über 100 Kunst- und Kulturschätze der Kasai-
Region, gelegen im heutigen Südwesten der Demokratischen Republik Kongo, die einen viel-
schichtigen Einblick in das soziale und spirituelle Leben des ehemaligen Kuba-Königreiches
geben.

 

Diese Ausstellung zeigt sehr schön, wie sich das Verständnis für Weltkulturen geändert hat:
Hier werden afrikanische Masken und Skulpturen als Kunstwerke gewürdigt und inszeniert, als
herausragende Zeugnisse einer Kultur, in der die Verbindung von Kunst und Alltag untrennbar
ist. Im Zentrum der Schau aber stehen die wunderbaren Textilien, unerhört akkurate Flechtwerke
aus Palmenfasern mit einem enormen Variantenreichtum an geometrischen Mustern. Jedes
Muster hat eine Bedeutung, spiegelt (für Eingeweihte) Status und Identität ihrer Trägerinnen
und Träger. Gleichzeitig dienten diese Stoffe als Schutzobjekte, denn die Kuba glauben, dass
sie die Macht besitzen, böse Geister abzuwehren.


Alle historischen Artefakte stammen aus der Kolonialzeit. Aus einer Zeit, als das Königreich der
Kuba – die Bezeichnung „Bakuba“ (Menschen des Blitzes) prägten die benachbarten Luba –
bereits dem Untergang geweiht war. Entstanden im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts aus
einem Zusammenschluss von etwa 20 Bantu-Ethnien, umfasste das zentralafrikanische Reich
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Fläche von über 100.000 km² und war berühmt
für sein reiches künstlerisches und spirituelles Erbe. Ende des 19. Jahrhunderts wurde es infolge
unsäglicher Verbrechen unter belgischer Kolonialherrschaft (insbesondere durch menschenver-
achtende Ausbeutung zur Kautschuk-Gewinnung) systematisch destabilisiert und zerfiel schließ-
lich. Insgesamt, so schätzt man, forderte die belgische Kolonialherrschaft mehr als zehn Millionen
Opfer – die meisten zwischen 1885 und 1908 unter dem belgischen König Leopold II. 

 

Genau aus jener Zeit, die später als „Kongogräuel“ in die Geschichte einging, stammt ein Groß-
teil der nun gezeigten Werke. Zusammengetragen von dem renommierten deutschen Afrikanisten
Leo Frobenius während seiner ersten afrikanischen Expedition (1904 - 1906) durch die damalige
Privatkolonie des belgischen Königs. Frobenius war zwar entsetzt von den Grausamkeiten vor
Ort und der Brutalität, mit der aufständische Zwangsarbeiter verstümmelt und ermordet wurden,
er stellte das Kolonialsystem jedoch nicht in Frage, im Gegenteil: Er profitierte davon. Klar ist
heute, dass sein Handel mit „ethnographischem Kram“ (Frobenius 1907) keineswegs ein so
friedlicher und freiwilliger „kultureller Austausch“ war, wie man es gern hätte, um sein Gewis-
sen zu beruhigen. Klar ist auch, dass Hamburg ebenfalls von Leo Frobenius unerhört profitierte:
Georg Thilenius, erster Direktor des Museums am Rothenbaum, kaufte von seinem umtriebigen
Kollegen damals 9231 Objekte der Bakuba, darunter 105 Masken und 400 Ahnenfiguren.

 

118 Jahre später werden diese Sammlungsbestände nun erstmals im Kontext des kolonialen
Erbes aufgearbeitet und neu eingeordnet. Kabila Kyowa Stéphane, gemeinsam mit Oussounou
Abdel-Aziz Sandja Kurator der Schau, reiste im Vorfeld in die Demokratische Republik Kongo
und erfuhr in zahlreichen Gesprächen, wie vor allem die Frauen künstlerische Traditionen
und profundes handwerkliches und spirituelles Wissen in der dortigen Gesellschaft mündlich
überliefern. So konnten auch die Hamburger Artefakte wieder in den Kontext lokaler Erinnerungen
eingebunden werden. Im Dialog mit zeitgenössischen Textilwerken der Künstlerkooperative
„Futur-Velours.com“ und einem eigens für die Ausstellung entstandenen Comic des kongo-
lesischen Künstlers Sixte Kakinda werden die Erwerbungen während der Kolonialzeit kritisch
reflektiert und neue Einblicke in die derzeitige künstlerische Rezeption im Kongo ermöglicht.

 

Isabelle Hofmann

 

„Bakuba Kunst. Geometrie des Lebens“, bis 3. August 2025, MARKK-Museum am Rothenbaum,
Rothenbaumchaussee 64, 20148 Hamburg, Di – So 10 – 18 Uhr, Do bis 21 Uhr (1. Mai und 9. Juni
geschlossen).
Kuratoren-Führungen am 10. Mai (14 Uhr) auf Deutsch und am 17.Mai (14 Uhr) auf Französisch.
Weitere Termine und Informationen auf www.markk-hamburg.de.

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