Topografische Studien © F. M. Friede, Christoph Irrgang
Topografische Studien © F. M. Friede, Christoph Irrgang

„der saum löst sich“

Arbeiten auf Papier, Texte und Gemälde von Fedele Maura Friede

 

Der Horst-Janssen-Grafikpreis der Claus Hüppe-Stiftung ist mit 20.000 Euro die höchst-
dotierte Ehrung im Bereich Zeichnung und Druckgrafik. In diesem Jahr erwählte eine
fünfköpfige Jury die Nachwuchskünstlerin Fedele Maura Friede, die nun in der Hamburger
Kunsthalle ihre eigenwilligen Arbeiten unter dem Titel „der saum löst sich“ präsentiert.


Ein überraschend minimalistischer erster Eindruck: 11 Arbeitsböcke stehen verteilt im
Harzen-Kabinett der Galerie der Gegenwart, ein jeder belegt mit einem rechteckigen
grauen Schaumstoffkissen. Darauf drapiert: überaus zarte „Topografische Studien“,
eigentlich eher flüchtige Notizen von Landschaft. Keine Vitrine, kein Schutz für die
empfindlichen halbtransparenten japanischen Papiere. Die 28-jährige Fedele Maura
Friede, die erst im vergangenen Jahr ihr Studium an der Leipziger Hochschule für
Grafik und Buchkunst abschloss, trägt ganz bewusst das Risiko, ihre Arbeiten nach
Ende der Ausstellung in einem anderen, unter Umständen deutlich schlechteren
Zustand vorzufinden.


Man muss dazu aber auch sagen, dass Friedes Zeichnungen in einer Beschaffenheit
präsentiert werden, die den Mitarbeitern des Kupferstichkabinetts sicher erstmal den
Atem stocken lässt. Jede Galeristin, jeder Auktionator weiß, dass der kleinste Knick,
die kleinste Faltung den Wert eines Blattes schmälert. Fedele Maura Friede jedoch
hat die Faltung zum Prinzip erhoben. Teils aus praktischen Gründen, wie die Künstler-
in einräumt (kleingefaltet lassen sich die Papiere einfacher transportieren), doch vor
allem, weil sie sich in diesem Werkkomplex explizit mit Orientierung anhand von (ge-
falteten) Karten auseinandersetzt.


„Ein Freund erzählt, er sei einmal zwanzig Kilometer in die falsche Richtung gelaufen,
weil er seine Karte die ganze Zeit auf dem Kopf gelesen hat. Ich muss an ein Foto
denken, auf dem ich zu sehen bin, wie ich irgendwo stehe und versuche, auf einer
Wanderkarte den Weg zu finden“. Mit diesen Sätzen beginnt Fedele Maura Friede
ihren begleitenden Text, der in Großbuchstaben die ganze Wand einnimmt.


Wanderkarten begleiten die Künstlerin seit ihrer Kindheit, wenn es windig war, klebte
das Papier an ihren Beinen und verwandelte sie selbst in eine Art „Karten-Skulptur“.
Wer sich einmal anhand von Stadtplänen oder Wanderkarten zu orientieren versuchte,
kann diese Erfahrung teilen: Wie mühevoll doch das Auseinander- und vor allem wie-
der Zusammenfalten der Karten ist. Irgendwie klappt das nie, zudem stellt sich noch
die Frage, wie herum man sie überhaupt halten soll, wo oben und wo unten ist.

 

Kurz gesagt, es geht dieser Künstlerin um Standortbestimmung. Um Raum als
Sphäre von Außenwelt, aber auch um Verortung in der Innenwelt. Das zeigt sich so-
wohl in ihrem Prosa-Text „Saum“, wie auch in den beiden spannenden großformatigen
Bildern, die in ihrer collagenhaften Verschränkung von Malerei, Zeichnung und Textur
an frühe Werke von Sigmar Polke erinnern. Fedele Maura Friede stellt hier ihr eigenes
Zimmer, insbesondere ihre weiche Bettdecke ins Zentrum – Sinnbild für einen privaten,
intimen Rückzugs-Bereich, der Schutz bietet vor den Herausforderungen der Außenwelt.
Ein Raum, in dem man sich nicht verlaufen kann.

 

Isabelle Hofmann

 

Fedele Maura Friede: „der saum löst sich“, bis 7. September 2025,
Hamburger Kunsthalle,
Glockengießerwall 5, 20095 Hamburg,
Di - So 10 - 18 Uhr, Do bis 21 Uhr.

Sonderöffnungszeiten: 1. Mai geschlossen, 29. Mai und 9. Juni 10 - 18 Uhr.
Weitere Informationen auf www.hamburger-kunsthalle.de


Die begleitende Publikation „Standortbestimmung“ vereint Texte und Kunstwerke
Friedes, die durch einen Beitrag der Schriftstellerin Tatjana von der Beek poetisch
ergründet werden.

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