"Die lustige Witwe" im Allee Theater
Das Operetten-Juwel von Franz Lehár wurde vor 120 Jahren in Wien
uraufgeführt. Ettore Prandi, der Musikalische Leiter des Allee Theaters,
und der Hamburger Regisseur Lars Wernecke bringen es in einer
neuen Bearbeitung in der Kammeroper heraus.
Es ist eine der erfolgreichsten
Operetten überhaupt. Gleich
nach der Uraufführung trat
„Die lustige Witwe“ einen beispiellosen
Siegeszug an und wurde in der
ganzen Welt gespielt. Im Allee Theater
wird sie nach 2018 nun zum zweiten
Mal gezeigt – damals wie heute in der
musikalischen Bearbeitung von Ettore
Prandi, dem Musikalischen Leiter der
Kammeroper. Eine Wiederholung soll
es jedoch nicht werden, sondern eine
ganz neue Produktion. „Wir haben
ein neues Ensemble und einen neuen
Regisseur und deshalb auch eine neue
Bearbeitung“, sagt Prandi. Statt Flöte,
Klarinette und Streichertrio gibt es
diesmal ein Quintett mit Oboe, Fagott,
Geige, Bratsche und Kontrabass. „Vorher
war es im Klang homogener, diesmal
wird es viel reichhaltiger.“ Es ist
jedes Mal eine große Herausforderung
für den Musikalischen Leiter, eine große
Oper oder eine opulente Operette
wie „Die lustige Witwe“ für die kleine
Bühne des Allee Theaters aufzubereiten.
Von „reduzieren“ möchte er dabei
nicht sprechen. „Das klingt so nach
verzichten und dann ist die Verlustquote
enorm.“ Prandi konzipiert die
Werke lieber neu. „Die Melodie, die
Bässe, die Harmonie gibt es natürlich
schon, aber es ist kreativer zu fragen,
wie würden wir eine Kammeroper neu
schreiben, wie würden wir sie neu
instrumentieren?“ Natürlich immer im Sinne des Komponisten.
Lehárs Operette lebt durch die vielen
bekannten Melodien, die fast jeder
mitsingen kann, wie „Lippen schweigen…“,
„Da geh‘ ich zu Maxim“ oder
das Vilja-Lied. „Dass ein Werk über
Generationen hinweg immer wieder
fasziniert, das muss ja einen Grund
haben. Es ist natürlich vor allem die
wunderbare Musik, die beim ersten
Hören gleich ins Herz geht“, meint
denn auch der Regisseur Lars Wernecke,
der zum ersten Mal am Allee Theater
inszeniert. Faszinierend ist für
ihn aber auch das Libretto, das etwas
Romantisches, aber auch etwas politisch
Kabarettistisches hat.
Es geht schließlich um Liebe, aber
auch um Geld und einen drohenden
Staatsbankrott. Um sein Heimatland
zu retten, soll Graf Danilo mit der
reichen Witwe Hanna verkuppelt werden.
Doch der erkennt in Hanna seine
Jugendliebe, die er einst aus Staatsraison
nicht heiraten durfte, und weigert
sich nun, um nicht in den Verdacht
zu geraten, nur hinter ihrem Vermögen her zu sein. „Wir erzählen das in
heutiger Zeit. Was berührt uns heute
noch an der Geschichte?“, fragt der
Regisseur. Und erklärt: „Es gibt zwar
Elemente mit Kostümen und Bühnenbild,
die an den Anfang des 20. Jahrhunderts
erinnern, aber die Intrigen
um Liebe und Geld sind uns gar nicht
so fern.“
Wernecke, auch Intendant der Frankenfestspiele
Röttingen, und Ettore
Prandi kennen sich schon aus einer
gemeinsamen Zeit am Theater in Meiningen.
Die gute Zusammenarbeit ist
Prandi wichtig, der respektvolle Umgang
mit der Regie und den Sängerinnen
und Sängern bzw. den Figuren
auf der Bühne, in diesem Fall die Lettin
Anete Liepina als Hanna und Titus
Witt als Danilo. „Da kann man nicht
einfach sagen: Ich mach meine Musik
und ihr macht, was ihr wollt.“ Für den
nicht immer ganz ernst zu nehmenden
Inhalt der Operette zeigt der Musiker
zumindest Verständnis: „Auch
bei der Uraufführung 1905 zeigten
die Sänger eine ironische, fast sarkastische
Distanz zur Geschichte.“ Und
heute, so meint er, haben wir mehr
mit dem Geist der Operette zu tun, als
wir zugeben wollen. „Es war die Zeit
vor dem Ersten Weltkrieg, Europa und
das schöne Wien waren am Ende, die
Menschen geprägt von Ängsten und
Verzweiflung. Da war man eher in
der Stimmung: Es gibt nichts mehr
anzustreben, also lass uns etwas Spaß
haben, einen Walzer drehen – und die
Musik ist schön.“
Seit zehn Jahren gehört der gebürtige
Mailänder Prandi zum Allee
Theater und hat hier rund 30 Opern und Operetten musikalisch umgesetzt. Gibt es für ihn auch Grenzen, Werke,
die die Möglichkeiten der Kammeroper
sprengen würden? „Wagner kann
ich mir persönlich nicht vorstellen.
Den Klang kann man nicht mit sechs
Musikern nachvollziehen. Da müssen
viele Geigen sein und Blecheinsätze.
Sonst wäre es, als wenn man versucht,
einen Braten in 15 Minuten zu machen.
Der muss einfach drei Stunden
schmoren.“
Interview: Brigitte Ehrich
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