Die aktuellen Premieren der Privat- und Staatstheater
Die Neuproduktionen im Januar:
OHNSORG THEATER
KRIBBELN IN‘N BUUK –
DER HIMMEL VOLLER GEIGEN
Wie war das noch mal, als in jungen Jahren ein Kribbeln im Bauch das Verliebtsein begleitete und der Himmel voller Geigen hing? Mit 60 oder 70 Jahren erinnert sich so mancher mit leiser Sehnsucht daran. Aber warum soll das jetzt vorbei sein? Liebe kennt schließlich kein Alter. Das will der Autor und Regisseur Marc Becker mit seinem Stück beweisen, das er selbst am Ohnsorg Theater inszeniert. Meike Meiners, die auch als Schauspielerin dabei ist, sorgte für die plattdeutsche Version vom „Kribbeln in’n Buuk“. Sechs Best-Ager wollen es noch einmal wagen und treffen sich beim Speeddating. Aber wie geht das nochmal mit dem Flirten? Und dann noch im Fünf-Minuten-Takt? Die Gastgeberin und ihr Sohn haben zum Glück einige Tipps parat und helfen, die Anfangsaufregung zu überwinden. Ob alle Töpfe ihren Deckel finden, bleibe dahingestellt. Doch wie sie sich voller Hoffnungen und Erwartungen auf die Suche machen, ist ebenso amüsant wie anrührend.
SCHAUSPIELHAUS
DIE MÖWE
Generationskonflikt, innere Einsamkeit und unglückliche Liebe – das sind die zeitlosen Themen in Tschechows Drama „Die Möwe“, welches er durchaus als Komödie verstanden wissen wollte. Entsprechend aktuell ist denn auch die Bearbeitung von der kosmopolitischen Regisseurin Yana Ross, die in Moskau geboren wurde, in Lettland aufwuchs, in den USA studierte und nun zum ersten Mal in Hamburg inszeniert. In den Werken des russischen Dichters Tschechow sucht sie besonders gern nach Bezugspunkten zur Gegenwart. Theater und das wirkliche Leben mischen sich bei ihm zu der Erkenntnis, dass der Erfolg dem Rücksichtslosen winkt, während die Wahrhaftigkeit auf der Strecke bleibt. Kostja, angehender Autor und Sohn der egozentrischen Diva Irina Arkadina, möchte eines seiner Stücke mit dem Mädchen Nina in der Hauptrolle aufführen. Er will mit seiner Kunst die Gesellschaft erneuern und beleben und fühlt sich von seiner Mutter missverstanden. Doch auch Nina enttäuscht ihn – das Mädchen wird ihm vom Geliebten seiner Mutter vor der Nase weggeschnappt. Am Ende bleibt ihm nur Hoffnungslosigkeit. Gemeinsam mit dem Ensemble des Thalia Theaters entwickelt Yana Ross ihre Version, eine Mischung aus Tragödie und trauriger Komödie.
THALIA THEATER
GOETHES FAUST – ALLERDINGS MIT ANDEREM TEXT UND …
„Kabale und Liebe“ stand schon auf ihrem Programm, genauso wie die „Nibelungen“ oder „Effie Briest“. Nun wagen sich Barbara Bürk und Clemens Sienknecht auch noch an Goethes „Faust“, natürlich wieder mit anderem Text und auch anderer Melodie. Ihre
bewährte, fiktive Radioshow läuft diesmal allerdings nicht wie bisher im Schauspielhaus, sondern im Thalia Theater. Mit Witz und einer gewissen Respektlosigkeit werden der Pakt mit dem Teufel und die Gretchenfrage musikalisch genüsslich seziert. Und wer bisher meinte, den großen Klassiker genau zu kennen, der wird gewiss zwischen frechen Songs und absurder Werbung noch etwas Neues entdecken können. Man darf jedenfalls gespannt sein, was sich bei dem bewährten Duo Bürk und Sienknecht in des Pudels Kern verbirgt.
THALIA THEATER
SANKT FALSTAFF
Shakespeares Königsdrama „Heinrich IV.“, entstanden Ende des 16. Jahrhunderts, nahm sich Ewald Palmetshofer als Vorlage für sein Gegenwartsstück, das vor rund einem Jahr im Münchener Residenztheater uraufgeführt wurde. „Sankt Falstaff“, der trinkfreudige, aber klarsichtige Narr, beobachtet und kommentiert das Geschehen rund um den autoritären „Quasi-König“ Heinz, der einen Nachfolger sucht. Die Gesellschaft ist gespalten in Arm und Reich, in Unten und Oben, die Politik ist zur Show verkommen, die Demokratie nur noch Fassade. Wie bei Shakespeare gibt es bei Palmetshofer eine zweite Spielebene, die den „unteren“ Rand der Gesellschaft streift. In der Kneipe von Frau Flott treibt sich Harri, der Sohn des Regenten, lieber mit seinen dubiosen Freunden herum, als an das Regieren zu denken. Mit Falstaff, dem Narren, der der heruntergekommenen Gesellschaft den Spiegel vorhält, verbindet ihn eine zwiespältige Freundschaft. Im Thalia Theater führt Luise Voigt Regie. Sie ist für ihre bildstarken Inszenierungen bekannt. Den Falstaff spielt Julian Greis, seit 2009 Mitglied des Thalia-Ensembles.
HAMBURGER KAMMERSPIELE
NÄCHSTES JAHR BORNPLATZSYNAGOGE
Das Grindelviertel war einmal ein bedeutendes Zentrum jüdischen Lebens in Hamburg. Das Konzept der Kammerspiele beruht zum Teil darauf, an diese Tradition anzuknüpfen, zu erinnern und mit der Gegenwart zu verbinden. Mit seinem Stück „Nächstes Jahr Bornplatzsynagoge“ hat Intendant Axel Schneider nun ein Kapitel Zeitgeschichte aus der nächsten Umgebung seines Theaters dramatisch aufgearbeitet. Die Vorgeschichte beginnt 1938: Der 13-jährige Sohn der jüdischen Familie Stein wird nach Palästina geschickt, um ihn vor den Nazis zu retten. Später kehrt er nach Hamburg zurück, wo er eine Familie gründet. Sein Sohn wiederum wird in den 1990er Jahren mit dem latenten Antisemitismus in Deutschland konfrontiert und will ein Zeichen dagegen setzen. Er beschließt, sich für den Wiederaufbau der von den Nazis niedergebrannten und zerstörten Bornplatzsynagoge einzusetzen. Der ehemalige Synagogenplatz ist nur noch ein Parkplatz und teilweise von Universitätsgebäuden überbaut. Ein langer Kampf durch die Institutionen, um Entschädigungen und Rückgaben und gegen die Sturheit mancher Beamten beginnt. Axel Schneider selbst inszeniert die Uraufführung in den Kammerspielen.
ERNST DEUTSCH THEATER
DER DRACHE
Der tapfere Ritter Lanzelot zieht aus, um eine Kleinstadt nach vierhundert Jahren Leid und Unterdrückung aus den Klauen eines Drachen zu befreien. Womit er nicht gerechnet hat: Die Bürger wollen gar nicht befreit werden. Sogar der Sohn des Bürgermeisters ist bereit, dem Drachen seine Verlobte als Opfergabe zu überlassen. Es entbrennt ein grotesker Kampf. Auf polemisch humoristische Weise zeigt Jewgeni Schwarz (1896 - 1958) die Mechanismen auf, mit denen ein mörderisches Willkürsystem funktionieren kann, solange es den Menschen Sicherheit verspricht. Die Uraufführung 1943 in Moskau war so brisant, dass die Parabel auf Diktatur und Untertanengeist sofort verboten wurde. Erst drei Jahre nach dem Tod des russischen Autors wurde sie wieder aufgeführt. Heute ist sie aktueller denn je – in der Frage, wie weit die Gesellschaft bereit ist, ihren Lebensstil einer (drohenden) Diktatur anzupassen. Im Ernst Deutsch Theater inszeniert Mona Kraushaar.
KOMÖDIE WINTERHUDE
DER ABSCHIEDSBRIEF
Julien, ein erfahrener Psychoanalytiker, hat von seinem Leben die Nase voll. Er will sich umbringen, einfach so, ohne Abschiedsbrief. Doch dann kommt seine Frau Maud, eine Pianistin, die gerade preisgekrönt wurde, früher nach Hause und findet ihn mit einem Strick um den Hals im Wohnzimmer. Aber er lebt. Nach dem ersten Schock kommt die Wut. In schonungsloser Abrechnung ziehen die beiden Bilanz über den Sinn ihres Lebens. Erinnerungen, geheime Wünsche, Geständnisse kommen plötzlich ans Licht. Werden sie am Ende wieder zusammenfinden? Zwischenmenschliche Beziehungen und die Dynamik zwischen Mann und Frau sind die Hauptthemen der französischen Regisseurin und Film- und Fernseh-Autorin Audrey Schebat. „Der Abschiedsbrief“ ist nach „Der Sittich“ ihr zweites Theaterstück. In der Komödie Winterhuder Fährhaus ist es mit der prominenten Besetzung Michaela May und Sigmar Solbach zu sehen. Nach der Uraufführung 2023 in Paris schwärmte Sophie Marceau, die die Maud gespielt hatte: „Es ist ein starkes Stück, lustig, intelligent, mit toller Sprache und großen Emotionen.“
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