
Talentierter Nachwuchs
Die „junge norddeutsche philharmonie“ stellt sich vor
Es begann mit einer mutigen Idee. Drei junge Musiker, die sich nach ihrer Zeit am Landesjugendorchester Mecklenburg-Vorpommern noch nicht vom gemeinsamen Orchesterspiel trennen wollten, beschlossen kurzerhand: Wir gründen ein eigenes Orchester, in dem Studentinnen und Studenten aus dem ganzen norddeutschen Raum zu einzelnen Projekten zusammenkommen können. In diesen Projekten sollten klassische Konzerte oder Jazz ebenso ihren Platz haben wie gesellschaftliche und politische Diskussionsthemen. Das war vor 15 Jahren. Das Konzept funktionierte. Aus der „jungen norddeutschen philharmonie“ (jnp) entwickelte sich bis heute ein genreübergreifendes Kulturprojekt mit zeitweilig bis zu 100 Musikerinnen und Musikern, die an ungewöhnlichen Spielstätten und auf Musikfestivals ebenso auftreten wie in großen Konzertsälen. Am 6. Januar 2026 werden sie auf Einladung von inkultur in der Elbphilharmonie mit einem außergewöhnlichen, kontrastreichen Programm zu Gast sein.
„Wir haben inzwischen Teilnehmer aus dem ganzen deutschsprachigen Raum“, erklärt Geschäftsführerin Milea Henning. Sie selbst spielt Schlagzeug – ungewöhnlich für eine Frau im sinfonischen Orchester. Aber schon im Kindergarten entdeckte sie die Leidenschaft für ihr Instrument, als sie mit Begeisterung zum Queen-Song „We will rock you“ in perfektem Rhythmus auf die Plastiktrommel schlug.
„Das Besondere bei uns sind die Projekte, zu denen sich Interessierte jeweils bewerben können“, sagt die Geschäftsführerin, die zusätzlich auch noch Musikmanagement studiert. In Musikhochschulen und im Internet wird dafür geworben und im Auswahlverfahren dann ein entsprechendes Orchester zusammengestellt. „Zu uns kommen nicht nur Musikstudierende, sondern auch andere Studierende, die ein Instrument auf hohem Niveau spielen, etwa aus dem Bereich Medizin oder Jura,“ sagt Milea Henning. „Das ist ein bunter Blumenstrauß an Teilnehmenden, von dem man auch außerhalb der Konzertproben viel lernen kann, zum Beispiel wie man im Team zusammenarbeitet oder bei der Optimierung der Organisation.“
Geprobt wurde in letzter Zeit auf der kultur.farm Groß Pankow in Brandenburg, einer Stätte für Austausch und Begegnung von Kulturschaffenden. Auf Schloss Broock in Mecklenburg-Vorpommern wurde in diesem Frühjahr in einem Workshop zum Thema Musik und Politik ein Konzert mit begleitenden Texten entwickelt, mit dem die jungen Musikerinnen und Musiker im September auftraten, direkter Austausch mit dem Publikum inklusive. „Mit jedem Projekt verfolgen wir eine neue Idee“, erklärt Milea Henning. „Hierbei war es uns wichtig, Demokratie mit auf die Bühne zu bringen.“
Für das Programm des Januar-Konzerts in der Elbphilharmonie gab es zunächst eine Abstimmung im Orchester. Die Mehrheit wünschte sich „Ein Heldenleben“, eine sinfonische Dichtung von Richard Strauss aus dem Jahr 1898. „Es ist ein sehr großes Werk, nicht nur phänomenal groß besetzt, sondern auch an Bedeutung für die Musikgeschichte ein Meilenstein“, meint Henning. „Gerade dieses Werk im großen Saal der Elbphilharmonie einmal gespielt zu haben, ist ein Traum für viele MusikerInnen.“ Ein weiterer Programmpunkt: das „Klavierstück für vier Hörner“ von Robert Schumann. Und mit dem Triptychon „Trois Femmes de Légende“ von Mélanie Bonis, das mit Cleopatra, Ophelia und Salome drei Frauenfiguren der Weltliteratur gewidmet ist, wollen die jungen Philharmoniker an die zu ihrer Zeit wegen ihres Geschlechts benachteiligte und zu Unrecht lange Zeit vergessene Komponistin erinnern und zugleich ein Zeichen setzen für die Bedeutung von Frauen in der Musikwelt.
Gäste für ihre Konzerte und ihre künstlerische Entwicklung hinzuzuziehen, ist für die "jnp" nicht ungewöhnlich. So arbeitete sie u. a. schon mit dem Dirigenten Felix Mildenberger, dem Pianisten Frank Dupree oder der Cellistin Anastasia Kobekina zusammen. Bis zu drei Projektphasen im Jahr mit etwa zwei Wochen Probenzeit und Konzerten nicht nur in Norddeutschland können realisiert werden. Im Vordergrund steht dabei immer die Förderung von Ideen und Initiativen junger Leute, die zur Stärkung der Kulturszene beitragen können. Dafür wurde die „junge norddeutsche philharmonie“, deren Schirmherr der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck ist, schon mehrfach ausgezeichnet.
Brigitte Ehrich
Karten für das Konzert finden Sie im Ticketshop